Heimcomputer C 64 kehrt als Mini zurück
Berlin – 1984 interessierte sich in der Schulklasse niemand für den Überwachungsstaat. Oder für Atomwaffen. Oder Waldsterben. Viel wichtiger auf dem Pausenhof: Wie punktet man eigentlich bei «Super Pipeline», «Pitfall», «Bruce Lee» oder «Pacman»?
Auf dem Bildschirm des C 64 wollten einen oft pixelige Monster töten – unter anderem Gespenster, Roboter oder Riesen-Hummer. Eltern erwarben den weltweit meistgekauften Heimcomputer Commodore 64 in den Jahren zwischen 1982 und 1994, damit ihre Kinder programmieren lernten. Doch fast jeder C-64-Besitzer benutzte ihn nur zum Zocken. Der Simulator «C 64 Mini» soll die Kindheitserlebnisse zurückbringen – sogar inklusive der passenden Tastatur im verkleinerten Maßstab.
Niedlich sieht das aus, so ein Mini in klassischer Commodore-Farbe irgendwo zwischen Beige, Grau und Leberwurst etwa im Maßstab 1:2. Natürlich ist das alles nur Fassade ohne jede Funktion. Die schwarzen Tasten lassen sich nicht drücken. Warum auch? Die Technik, die damals den Schreibtisch füllte, würde heute in einen Kugelschreiber passen.
Genauso groß wie damals hingegen ist der schwarzrote Joystick, optisch an den 80er-Jahre-Klassiker Competition Pro angelehnt. Da die Tastatur nur Deko ist, lenkt der Stick alle Funktionen am Bildschirm.
Die große Stärke des neuen C-64-Nachbaus sind vor allem die inneren Werte. Das Entwicklerteam hat mit großer Liebe zum Detail die raue Benutzeroberfläche des 8-Bit-Rechners von einst digital perfekt abgebildet. 64 Spiele von «Impossible Mission» bis zu «Summer Games» sind für moderne Flachbildschirme aufbereitet worden und laufen glatter als die Originale, die man in den 80ern per surrender Datasette oder knarzender Floppy Disc lud.
Genial sind die Soundtracks, die an schlechte «Miami Vice»-Folgen erinnern. Nostalgiker können aber auch eigene Programme in der damals zeitgemäßen, aber heute total veralteten Sprache Basic programmieren.
Einführungen zu Plot, Entstehungsjahr und Soundtrack liefern Wissen zu den Games – fast eine kleine Kulturgeschichte des Videospiels. Hat man die Klassiker von einst erst einmal ans Laufen gebracht, ist man den Kinderfreuden längst vergangener Zeiten also wieder sehr nahe.
Etwas beschwerlich ist hingegen der Weg dorthin. Das C-64-Imitat, der Joystick und der Bildschirm werden über USB- und HDMI-Kabel verbunden. Das Gerät bezieht den Strom über den USB-Port eines Flachbildfernsehers. Einen Schaltplan als Grafik sucht man dazu aber vergeblich. Dafür warnt die schmale Anleitung die Benutzer in einem halben Dutzend Sprachen vor teils bizarren Risiken der PC-Nutzung.
Der Aktionsradius der Kabel ist noch kleiner als zu den Zeiten, als man sich an holzfurnierverkleidete Röhrenfernseher ankoppelte. Darüber sollte man eigentlich seit Playstation-Zeiten hinweg sein.
Sinnvoll ist hingegen, dass man über die USB-Ports einen zweiten (nicht mitgelieferten) Joystick anschließen kann. Oder eine echte Tastatur. Denn die virtuelle Tastatur auf dem Bildschirm, die man per Joystick bedienen kann, kommt zwar selten zum Einsatz. Sie ist aber auch umso mühseliger anzusteuern. Ein Stecker zum Stromkabel wird auch nicht mitgeliefert. Falls man den Fernseher also nicht anzapfen kann, muss man den Stecker etwa von einem Handyladekabel ausleihen.
Apropos Hardware: Der Joystick ist zwar optisch recht gut gelungen, sein Gewicht liegt gut in der Hand. Er hat aber bei weitem nicht die wertige Verarbeitung und Griffigkeit der Design-Ikone Competition Pro. Außerdem muss beim Austesten so manche Spielfigur nur deshalb ihr Leben lassen, weil die Knöpfe des Hebels nur zeitverzögert reagieren.
Kein Wunder, kosteten solche Joysticks Mitte der 80er gern mal 40 Mark (rund 20,45 Euro) und mehr. Gemessen an damaliger Taschengeldhöhe und Inflation musste man allein dafür gefühlt so viel berappen wie heute für das ganze Kombi-Gerät, das mit 79 Euro zu Buche schlägt. Es ist übrigens nicht der einzige digitale Wiedergänger: Im Herbst 2017 war der Super Nintendo Classic Mini erschienen, ein Nachbau der Konsole von 1992. Auch den Vorgänger Nintendo Entertainment System oder den Sega Mega Drive gibt es mittlerweile als verkleinerten Nachbau.
Der
C 64 Mini ist ein schönes Mitbringsel und kann einem gewiss ein verregnetes Wochenende retten. Das enge Verhältnis, das viele tausend Kinder zum Commodore hatten, mag man zu ihm nicht aufbauen. Um mit Freunden kurz in eine Zeitmaschine zu steigen, ist er gut geeignet. Und er ist allemal besser zu verstauen als das Ungetüm von einst.
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(dpa/tmn)