Neuer Google-Kameramodus macht die Nacht fast zum Tag

By on 15. November 2018

Berlin – Die Bilder von Smartphone-Kameras sind in den vergangenen Jahren immer besser geworden – Aufnahmen bei Nacht oder in der Dämmerung haben aber oft immer noch eine miese Qualität. Google will das Problem mit Hilfe seiner Stärken lösen: Software und maschinelles Lernen.

Googles «Nachtsicht»-Modus

Das Ergebnis ist der neue «Nachtsicht»-Modus für die hauseigenen Pixel-Smartphones des Internetkonzerns. Es ist eine bahnbrechende Software, die oft die Nacht praktisch zum Tag machen kann – wenn auch mit einigen Kompromissen.

Einen ersten Blick auf die Funktion gewährte Google Anfang Oktober bei der Vorstellung seiner neuen Pixel-3-Smartphones – und zwar mit Knalleffekt. Das im «Nachtsicht»-Modus aufgenommene Bild einer Gruppe von Menschen wurde auf der Bühne mit einer Aufnahme des gerade erst erschienenen iPhone XS verglichen.

Der Effekt war frappierend: Das iPhone-Bild wirkte ziemlich dunkel, während das Pixel-3-Foto quasi aussah, als hätte jemand einen Scheinwerfer auf die Gruppe gerichtet. Die neue Funktion wurde aber nicht zusammen mit den Pixel-3-Telefonen vor einigen Wochen veröffentlicht, sondern wird erst jetzt per Update nachgereicht.

Deutlich hellere Bilder

Erste Versuche mit «Nachtsicht» zeigen nun: Google hat nicht zu viel versprochen. Schon in der Standardeinstellung liefert die Kamera des Pixel 3 außergewöhnlich gute Fotos bei wenig Licht, obwohl sie nur über ein Objektiv verfügt. Der «Nachtsicht»-Modus setzt noch eins drauf: Die Bilder sind deutlich heller, und Details, die im Dunkeln verborgen blieben, treten plötzlich zu Tage.

Ein Nachteil ist, dass «Nachtsicht» mehrere Sekunden für eine Aufnahme braucht – je weniger Licht, desto länger. Das heißt, dass man in dieser Zeit das Telefon möglichst ruhig halten muss, auch wenn die Software die unvermeidlichen kleinen Wackel-Bewegungen mit Rückgriff auf Daten aus dem Gyrosensor herauszurechnen versucht.

Und bei nächtlichen Straßenszenen in der Stadt, wo Laternen und andere Lichtquellen für mehr Helligkeit sorgen, können die dunkleren, aber kontrastreicheren Fotos der Standard-Kamera ansprechender wirken. Man kann sich aber darauf verlassen, dass die Pixel-Handys das Beste aus dem verfügbaren Licht herausholen werden.

Intelligente Software

Die Funktionsweise von «Nachtsicht» erinnert an den HDR-Modus in vielen Smartphones: Die Kamera nimmt mehrere Bilder mit verschiedenen Einstellungen auf, aus denen ein möglichst optimales Foto berechnet wird. Am Tag sorgt die HDR-Funktion für kontrastreichere, gleichmäßig ausgeleuchtete Bilder, insbesondere wenn viel Licht und Schatten im Spiel sind. Zudem hilft sie bei anspruchsvollen Gegenlichtaufnahmen.

Beim Versuch, das Prinzip auf die Nachtfotografie anzuwenden, stieß Google aber auf lauter Probleme. «Der Autofokus funktionierte nicht mehr, die Farben wurden nicht erkannt», erinnert sich Google-Produktmanager Isaac Reynolds. Nachts sind alle Katzen grau, heißt es nicht umsonst.

Die Lösung fanden die Entwickler in intelligenter Software. Erkennt die Kamera, dass es zu dunkel für den Autofokus ist, stellt sie den Fokus auf unendlich ein. Das Ermitteln realistischer Farben ist eine komplexere Aufgabe: Die Software trifft auf Basis der allgemeinen Lichttönung und der Grau-Nuancen eine Annahme, welche Farben sie gerade vor sich hat. Insgesamt baut «Nachtsicht» ein Foto aus bis zu 15 Bildern zusammen. Eine Verbindung zum Internet braucht die Kamera dafür nicht: Die Berechnung läuft komplett auf dem Gerät.

Es macht Spaß, den «Nachtsicht»-Modus an seine Grenzen zu treiben. Er kann allerdings nicht zaubern: In einem komplett abgedunkelten Raum nützt die Funktion auch nichts. Doch schon bei minimalem Lichteinfall sieht man den Unterschied: Wo das Bild der Standardkamera komplett schwarz bleibt, liefert der Nachtmodus Objekte und Farben.

Nur für Pixel-Smartphones

«Nachtsicht» wird – mit einigen wenigen Abstrichen – auch für die beiden vorherigen Pixel-Modellgenerationen eingeführt. Nutzer anderer Android-Smartphones sollten sich dagegen vorerst keine Hoffnungen machen, von der Software profitieren zu können, so Produktmanager Reynolds. Denn diese wurde exakt auf die Pixel-Hardware samt Linse und Sensor zugeschnitten.

Reynolds sagt, er selber nutze «Nachtsicht» manchmal auch tagsüber, wenn die Bilder besonders gut werden sollen – weil die Software auch dann besonders scharfe Bilder produziert. Jedenfalls sofern man Zeit mitbringt und eine ruhige Hand hat.

Fotocredits: Andrej Sokolow,Andrej Sokolow,Andrea Warnecke,Franziska Gabbert,Andrej Sokolow,Andrej Sokolow,Andrej Sokolow,Andrej Sokolow
(dpa/tmn)

(dpa)

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