Rippen und unterwegs genießen: Der CD-Sammlung Beine machen

By on 10. November 2016

Göppingen (dpa/tmn) – Kaum jemand unter 30 erinnert sich heute noch an den Walkman. Dabei war der tragbare Kassettenspieler in den 80er und 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts Musikmonopolist auf Schulhöfen, an Bushaltestellen und auf Klassenfahrten. Dann kam der noch größere Discman.

Doch die Zeit von Kassette und Silberling ist vorbei – so richtig schlimm finden Experten wie der Göttinger Hi-Fi-Spezialist Bernhard Rietschel das nicht. «Die klassische CD hat gerade unterwegs eigentlich nur Nachteile: groß, empfindlich, umständlich», sagt er. Ihre Zeit neigt sich auch im Auto dem Ende entgegen. Die meisten Neuwagen kommen heute ohne CD-Spieler in den Handel, dafür mit eigenen Medienplayer sowie Bluetooth und USB fürs Smartphone.

Heute haben Musikfans eine viel größere Auswahl zwischen CD, Audio-Dateien und Streaming-Diensten – und auch diversen Abspielgeräten. Löst man sich von der Vorliebe für physische Datenträger, hat das Vorteile – auf Smartphones, USB-Sticks und Festplatten passt einfach deutlich mehr Musik. Und die heimische Sammlung kann man einfach auf den Rechner einlesen und mitnehmen.

Dass digitale Geräte wegen der klangverzerrenden MP3-Kompression schlechter tönen als CDs oder Vinyl, gehört laut dem
Branchenverband gfu in die Mottenkiste überholter Vorurteile. Hochauflösende Musikdateien in FLAC- oder WAV-Formaten bieten «Auflösungen weit jenseits menschlichen Hörvermögens». Bernhard Rietschel zufolge kann ihr Klang den von CDs sogar übertreffen. Die Dateien seien zudem, solange offene Standards verwendet werden, nicht auf ein bestimmtes Wiedergabesystem angewiesen. Verlustfreie Codecs wie FLAC lassen sich, wenn nötig, beliebig oft in andere Formate konvertieren und sind damit theoretisch mit allen Geräten abspielbar.

Aber was ist nun besser? Reicht das Smartphone oder muss es ein spezieller MP3-Player sein? Bernhard Rietschel bevorzugt die Spezialisten: «Ihre Kopfhörer-Ausgänge sind einfach deutlich stärker und aufwendiger gebaut, auch die Digital-Analog-Wandler sind entsprechend hochwertiger.» Hinzu komme die Unterstützung exotischer Musikformate wie DSD oder DXD sowie neuerdings auch MQA, mit denen Smartphones nichts anfangen könnten.

Für die Klangqualität unterwegs ist aber auch der richtige Kopfhörer entscheidend. «Ob In-Ear oder mit Bügel und Muscheln ist Geschmacksache», so Rietschel. «Geschlossene Hörer dichten viel besser nach außen hin ab, verfügen meist über mehr Druck im Bassbereich, neigen aber im Gegenzug schon mal zu leichten Klangverfärbungen», erklärt Thomas Johannsen, Chefredakteur des Fachmagazins «Tablet PC». Offene Kopfhörer klingen meist stressfreier und ausgewogener, allerdings hört man auch mehr Umgebungsgeräusche.

Damit wäre die Hardwareseite geklärt. Um die Musik auf das Smartphone oder den MP3-Player zu bringen, muss aber auch die richtige Software ran. Bernhard Rietschel rät von Programmen wie dem Windows Media Player oder iTunes ab: «Beide erzeugen bei Leseproblemen unter Umständen fehlerhafte Dateien in Form von hörbaren Klicks bis hin zum Stottern, ohne den Nutzer zu warnen.» Besser sind spezialisierte Rip-Programme wie das kostenlose Exact Audio Copy – der empfehlenswerte verlustfreie
FLAC-Codec ist bereits integriert.

Damit die Songs auf dem Smartphone oder Player auch gleich vernünftig beschriftet sind, sollte man direkt auf die Vergabe korrekter Metadaten, sogenannter Tags, achten. Das sind Informationen zu Interpret, Album, Erscheinungsjahr und Coverbild. «Alle Rip-Programme können das bei korrekter Einstellung automatisch machen, man sollte das aber immer wieder überprüfen – nichts ist in der Praxis so lästig wie Musikdateien mit fehlenden oder falschen Tags», so der Experte.

Von der Scheibe auf die reinen Daten umzusteigen, kann aber auch Nachteile haben. «Wenn man nicht aufpasst, reicht ein kleiner Anlass, um große Sammlungen zu verlieren», warnt Rietschel. Dazu gehören Anwenderfehler genauso wie Festplattenschäden, Verlust oder Diebstahl. Gute Datensicherung ist daher Pflicht – am besten doppelt.

Wer keine Lust hat, seine Sammlung zu digitalisieren oder einfach öfter neue Musik entdecken möchte, kann auch Musikstreaming-Dienste abonnieren. Im Offline-Modus, den praktisch alle anbieten, kann man Songs und Alben markieren und zu Hause über WLAN herunterladen, erklärt Rietschel. So verbraucht man unterwegs kein Mobilfunk-Datenvolumen. Allerdings bieten erst wenige Dienste die Songs und Alben auch in hochauflösender Qualität an.

Fotocredits: Mascha Brichta

(dpa)