Ausweiskontrolle beim Prepaidkartenkauf: einfach war gestern
Berlin – Einfach und schnell eine Prepaid-SIM-Karte an der Tankstelle oder im Drogeriemarkt kaufen: Diese Zeiten sind vorbei. Händler sind seit Juli verpflichtet, die Identität des Käufers zu überprüfen. Hintergrund ist eine Neufassung des
Telekommunikationsgesetztes.
So müssen Kunden im Laden teils ihren Ausweis vorlegen, denn erst wird die Karte freigeschaltet. Das dauert oft mehrere Minuten – lange Warteschlangen sind nicht ausgeschlossen. Manche Händler bieten deshalb die Identifizierung gar nicht erst vor Ort an.
Stattdessen müssen sich Käufer dann nachträglich online ausweisen. Bei den Prepaid-Angeboten der Drogeriekette
Rossmann und des Discounters
Lidl ist das beispielsweise per Videochat möglich. Dafür müssen sich Käufer über den Computer zu Hause oder zum Teil auch via App auf dem Tablet oder Smartphone anmelden.
Scheuen Käufer das Video-Ident-Verfahren, bieten einige Anbieter Alternativen an: Kunden können den Ausweis in einer Filiale der Deutschen Post – so etwa bei Kaufland – oder anderer Partnershops vorlegen. Wer bei Mobilfunkanbietern wie
Vodafone, O2 oder
Telekom kauft, kann sich auch im Shop ausweisen.
Der Discounter Aldi Süd schaltet ebenfalls Prepaid-Karten der eigenen Mobilfunkmarke
Aldi Talk unmittelbar im Laden frei. Nach Angaben des Portal
«Teltarif.de» ist dabei Hartnäckigkeit nötig. So habe bei einem Test in einer südhessischen Aldi-Filiale die Kassiererin dem testenden Journalisten zunächst vorgeschlagen, zur Identifizierung zur Post oder Sparkasse zu gehen. Begründung der Kassiererin: Vor Ort würde es einige Zeit dauern. Am Ende klappte die Prozedur aber – nach rund fünf Minuten.
Bei MediaMarkt und Saturn ist ebenfalls eine Legitimation in den Filialen möglich. Der zusätzliche Aufwand dafür sei überschaubar, teilt eine Sprecherin von MediaMarktSaturn mit. Es bleibe abzuwarten, wie sich die neuen Anforderungen auf die Nachfrage auswirken.
Eine Sprecherin der Supermarktkette Kaufland erklärte hingegen: Man rechne nicht mit Umsatzeinbußen, weil der Identifikationsprozess für alle Teilnehmer auf dem Markt gelte.
Anders sieht das die Freenet Group, die Marken wie Mobilcom Debitel und Klarmobil unter einem Dach versammelt. Wegen der gestiegenen Komplexität der Aktivierung stelle man sich auf ein niedrigeres Absatzniveau ein, teilt ein Sprecher mit. «Zumindest kurzfristig, bis sich der Prozess etabliert hat.» Das simple Aktivierungsverfahren sei ein Alleinstellungsmerkmal für Prepaid gewesen. Die Anpassungen bedeuteten einen erheblichen Mehraufwand für die Kunden.
Auch früher schon mussten sich Nutzer beim Kauf einer Prepaid-Karten registrieren. Die Anbieter waren aber nicht dazu verpflichtet, die Daten zu prüfen. Somit konnten Kunden sie mit Pseudonym erwerben.
Genau das soll mit der Gesetzesänderung – einem Teil des Anti-Terror-Paktes – unterbunden werden. Käufer der Prepaid-Karten müssen sich seitdem ausweisen und der Karten-Anbieter muss die erhobenen Daten speichern. Durch die Regelung soll verhindert werden, dass Kriminelle mit Hilfe der Karten unentdeckt kommunizieren können.
Kritiker bezweifeln den Nutzen. Bernhard Rohleder vom Digitalverband Bitkom geht davon aus, dass die verpflichtende Identitätsprüfung kaum Auswirkungen auf den Kampf gegen Terrorismus und organisiertes Verbrechen haben wird. «Viel wichtiger wäre, in Deutschland den grauen Markt auszutrocknen, auf dem massenhaft ausländische SIM-Karten verkauft werden», sagt Rohleder. Das Problem: Andere EU-Staaten verzichten zum Teil auf eine Ausweispflicht. Und seit der Abschaffung der EU-Roaming-Gebühren ist es kostengünstiger, eine Karte aus dem EU-Ausland in Deutschland zu nutzen.
Das Innenministerium sowie Branchenvertreter wie die Telekom wünschten sich eine EU-weite Regelung. Auch Michael Gundall von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz kritisiert, dass europaweit einheitliche Vorgaben fehlen. Er hält die Ausweispflicht für den richtigen Ansatz: «Das ist etwas umständlich, dient aber am Ende doch der Sicherheit.» Auswirkungen auf Verbraucher fürchtet er in der Breite nicht. Bedauerlich findet er, dass das «Spontangeschäft» vielerorts wegfalle. Einfach eine Karte kaufen, ins Telefon stecken und damit telefonieren – dass geht nur noch, wenn man in einem Laden geht, wo vor Ort eine Identifizierung möglich ist.
Identifizierung per Video-Chat
Ein Praxistest mit einer Prepaid-Karte von Lidl zeigt: Nach dem Eintippen der Kartendaten und persönlichen Angaben wird der Käufer auf die Seite eines externen Dienstleisters weitergeleitet. Nach mehreren Minuten Wartezeit geht es schnell. In einem Videofenster erscheint ein junger Mann. Er fragt noch einmal Geburtsdatum und -ort ab. Zum Datenabgleich muss der Käufer seinen Personalausweis in die Webcam halten. Der Mitarbeiter macht Fotos von vorne und hinten sowie ein Bild des Nutzers. Etwa eine Minute dauert der gesamte Prozess, dann wünscht der Mitarbeiter «noch einen schönen Tag». Insgesamt hat die Online-Identifizierung in diesem Fall eine Viertelstunde gedauert. Nach dem Video-Chat dauerte die Freischaltung 23 Minuten. Abhängig vom Anbieter variieren die Zeitangaben, von Minuten bis zu wenigen Tagen, bis die Karte nach der Identifizierung spätestens freigeschaltet wird.
Fotocredits: Paul Zinken
(dpa/tmn)