Kleine Zeitmaschine: Super Nintendo Classic Mini im Test
Berlin – Das gleiche blasse Grau, die gleichen bunten Knöpfe, das wie immer etwas zu steife Steuerkreuz: Der neue Super Nintendo Classic Mini ist ein bis ins Detail originalgetreuer Nachbau der Konsole von 1992.
Mit ein paar Unterschieden: Spiele muss man nicht kaufen, sie sind schon installiert. Außerdem ist der Nachbau deutlich kleiner und leichter als das Original. Und das Weiß von Gehäuse und Controller ist noch nicht ganz so vergilbt wie bei vielen echten Super Nintendos, die heute noch unterwegs sind.
Trotzdem: Für Videospieler, die schon in den 1990er Jahren vor der Konsole gehockt haben, ist der Nachbau eine echte Zeitmaschine. Erstens, weil sich der Controller wirklich exakt so anfühlt wie das Original. Und zweitens, weil viele Spiele für die Klassiker-Konsole über die Jahre kaum etwas von ihrer Faszination eingebüßt haben.
Im Vergleich zum NES Classic Mini, dem 2016 erschienenen Nachbau des Vorgängers Nintendo Entertainment System aus den 1980er Jahren, hat Nintendo die Zahl der vorinstallierten Titel zwar reduziert: Statt 30 gibt es 21. Darunter sind aber mehrere Klassiker, die es bis heute regelmäßig in die Top 10 der besten Spiele aller Zeiten schaffen.
«A Link to the Past» zum Beispiel ist für viele «Zelda»-Fans noch immer das beste Spiel der an Hits nicht eben armen Reihe – und bis heute stilprägend für Abenteuer in offenen Spielewelten. «Super Mario World» muss sich in Sachen Kreativität und Design vor keinem modernen Hüpfspiel verstecken. Und «Final Fantasy VI» ist ein aller Pixelgrafik zum Trotz überraschend erwachsenes Fantasy-Epos, weit entfernt von den Teenager-Albernheiten moderner Episoden der Serie.
Klar, grafisch ist das längst nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Die gespenstische Einsamkeit eines «Super Metroid» oder der kitschige Grusel von «Super Castlevania IV» funktionieren aber trotzdem. Und dass Spiele heute deutlich mehr Pixel haben und nicht mehr im 4:3-Format alter Röhrenfernseher laufen, ist spätestens nach den ersten drei Runden «Street Fighter II» wieder vergessen. Sogar Rennspiele wie «Mario Kart» oder «F-Zero» machen noch immer Spaß – wenn man sich einmal an die Grafik-Tricks gewöhnt hat, mit der Nintendo damals dreidimensionale Tiefe simulierte.
Unter den 21 Spielen ist sogar eine echte Neuheit: «Star Fox 2» war 1995 zwar fertig entwickelt, musste dann aber Platz machen für den Release des Super-Nintendo-Nachfolgers Nintendo 64. Nun erblickt es mit entspannten 22 Jahren Verspätung das Licht der Welt – und ist zwar keine spielerische Offenbarung, aber doch eine nette Dreingabe.
Komplett ist die Sammlung damit aber nicht: Im Gegensatz zum NES Mini, der fast jeden wichtigen Titel aus der Konsolengeschichte an Bord hatte, fehlen auf dem neuen Super Nintendo ein paar Klassiker. Darunter sind vor allem Spiele, die nicht von Nintendo selbst entwickelt wurden. Allein aus lizenzrechtlichen Gründen war das wohl kaum vermeidbar. Trotzdem werden viele Super-Nintendo-Kenner Titel wie «NBA Jam» oder «Super Star Wars» schmerzlich vermissen.
Verpackt ist die Spielesammlung wie beim Mini-NES aus dem Vorjahr: Ein schickes Menü lässt Spieler den nächsten Titel auswählen. Beenden lässt sich ein gestartetes Spiel aber nur mit dem Reset-Button an der Konsole. Dazu gibt es die gleichen Komfortoptionen wie beim Quasi-Vorgänger, darunter eine Speicherfunktion für simples Pausieren und Weiterspielen. Eine Sache hat Nintendo im Vergleich zum NES Mini allerdings klar verbessert: Das Kabel an den beiliegenden Controllern ist nun immerhin etwas mehr als 1,50 Meter lang – zum Zocken muss also niemand mehr in Armlänge der Minikonsole hocken.
Für erfahrene Videospieler und neugierige Nachzügler ist der Super Nintendo Classic Mini definitiv einen Blick wert, vor allem angesichts des Preises von 100 Euro. Mehr sollte aber niemand bezahlen – auch wenn der Konsolen-Nachbau auf einschlägigen Plattformen im Netz bereits für weit mehr als 100 Euro gelistet ist. Der Grund dafür ist die stark limitierte Stückzahl zum Verkaufsstart, die schon den Vorgänger NES Classic Mini schnell zu einem überteuerten Sammlerstück machte. Nintendo hat aber Besserung gelobt und will bis ins Jahr 2018 weitere Exemplare der Retro-Konsolen produzieren. Wer etwas Geduld mitbringt, sollte seine Zeitreise also spätestens in ein paar Monaten starten können – ohne Wucherpreise.
Fotocredits: Franziska Gabbert,Franziska Gabbert,Franziska Gabbert,Franziska Gabbert,Franziska Gabbert
(dpa/tmn)