Jeder fünfte Deutsche würde mit Sexroboter schlafen
München – Elena wird geküsst und gestreichelt. Am Bauch, an den Brüsten, im Intimbereich. Sie bleibt teilnahmslos liegen, starrt bloß in eine Richtung. Elena ist ein Sexroboter.
Elena kann sprechen, ihre Emotionen können per App eingestellt werden. Und sie ist ein Versuchsobjekt: Für die Webserie
«Homo Digitalis» hat der Bayerische Rundfunk (BR) Porno-Darstellerin Schnuggie91 mit Elena – nun, wie soll man sagen? – schlafen lassen. Eine merkwürdige Erfahrung, berichtet Schnuggie91 hinterher. Die Haut fühle sich nicht so an wie bei einem Menschen. «Sie interagiert ja auch gar nicht», sagt der Pornostar. «Also man ist eigentlich trotzdem dabei ziemlich einsam.»
«Homo Digitalis» ist zugleich eine Zukunftsstudie von BR, Arte, ORF und dem Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO). Die läuft zwar noch bis zum Frühjahr, erste Zwischenergebnisse haben die Macher aber veröffentlicht: Demnach würde ungefähr jeder fünfte Deutsche gerne einmal mit einem Sexroboter schlafen. Über die Hälfte würde es nicht oder nur vielleicht stören, wenn ihr Partner Sex mit einem Sexroboter hätte. Doch nur rund sechs Prozent könnten sich vorstellen, sich in einen Roboter zu verlieben. «Das deutet darauf hin, dass Sexroboter vor allem als Spielzeug und nicht als Menschen-Ersatz wahrgenommen werden», sagt Kathrin Pollmann vom IAO.
Immer wieder gerne zitiert wird in diesem Zusammenhang David Levy, Experte für Künstliche Intelligenz, der Sex mit Robotern bis zum Jahr 2050 für gängige Praxis hält. In Barcelona gibt es mittlerweile ein Bordell mit Sexpuppen, mit denen man(n) laut Anbieter alle seine Fantasien erfüllen kann – «ohne jegliche Grenzen».
Also ein Trend? Wirtschaftsinformatiker Oliver Bendel, der sich unter anderem Fragen der Informations- und Maschinenethik widmet, sagt: «Ich glaube, das bleibt eine Nische.» Er verweist unter anderem auf den Kaufpreis von rund 10 000 Dollar (etwa 8500 Euro). «Das kauft man sich nicht einfach auf die Schnelle.» Auch sei das Thema nach wie vor ein Tabu. «Über Sexspielzeug wird zwar inzwischen offener gesprochen. Aber Liebeskugeln und Dildos liegen auch nicht überall offen rum. Und wo verstecke ich einen Sexroboter vor meinem Partner?»
Kognitionswissenschaftler Martin Fischer von der Universität Potsdam, der im Dezember zu einem internationalen Workshop zum Thema «Roboter lieben» geladen hatte, sagt: «Das ist keine Science Fiction mehr.» Absatzzahlen seien zwar kaum zu bekommen – aber es gebe zum Beispiel eine Firma, die im Jahr rund 400 Sexpuppen verkauft. Manche dieser Puppen können sich auch bewegen. Davon zu unterscheiden seien humanoide Roboter, die auf soziale Signale eingehen und selber welche aussenden können. «Das ist für uns das interessante Feld», sagt der Professor. So habe eine Studie in den USA gezeigt, dass Menschen auch bei Robotern unterschiedlich reagieren, wenn sie an deren Genitalienzone im Vergleich zu anderen Körperteilen fassen.
Hier seien viele Fachgebiete gefragt und könnten von der Forschung profitieren – etwa auch im Bezug auf Design und ethische Fragen, sagt Fischer. Nur mangele es bislang an Fördermitteln. Auch sein Team arbeitet zur Zeit nur mit Fragebögen, bei denen jedoch jeder Befragte eine eigene Vorstellung davon hat, was ein Sexroboter kann und wie er aussieht. «Besser wäre es, auch physiologische Reaktionen auf der Haut messen zu können, wenn Sie in Kontakt mit einem Roboter kommen.»
Auch wenn Sexroboter eine Nische bleiben sollten, wird das Thema in vielfacher Hinsicht breit diskutiert. Eine «Kampagne gegen Sexroboter» führt unter anderem an, Frauen und Kinder könnten zu Lustobjekten degradiert werden. Wissenschaftler Bendel wirft eine ganze Reihe von Problemen und Fragen auf: So müssten Sexroboter beispielsweise gründlich geputzt werden, um Krankheiten vorzubeugen.
Und wie menschenähnlich müssen Sexroboter aussehen und klingen? «Bei Vibratoren geht es hin zu abstrakten Formen, die nicht mehr wie ein Penis aussehen», sagt er. Denkbar seien auch Gestalten mit vier Armen. «Die Literatur tobt sich da aus.» Bislang entsprechen die Sexroboter-Modelle auf dem Markt aber Klischees und Stereotypen – derzeit meist von Frauen: vollbusig, schlank, mit Wimpernklimpern.
Fischer verweist auf Forschungsergebnisse aus anderen Bereichen: Demnach ist das Aussehen weniger entscheidend, um einen Roboter als menschenähnlich zu akzeptieren. «Da reichen schon zwei blinkende Augen und etwas, das aussieht wie ein Mund.» Für erfolgreiche soziale Interaktion seien die ausschlaggebenden Komponenten Sprache, Blickverhalten als Signale und taktile Eigenschaften wie Körperwärme.
Noch heikler ist beispielsweise die Debatte um kindsähnliche Roboter. Im öffentlichen Raum oder einem Bordell hätten diese nichts verloren, sagt Bendel. Als begleitete Maßnahme in einer Therapie mit pädophilen Patienten könnten sie vielleicht hilfreich sein. «Es bräuchte aber wissenschaftliche Studien, um zu zeigen, welche Effekte im Einzelnen auftreten.» Sexualtherapeut Ulrich Clement sprach bei «Zeit online» von zwei konkurrierenden Theorien: «Die eine geht davon aus, dass Pädophile damit ihre Wünsche umsetzen können und Ruhe finden. Die andere Theorie geht davon aus, dass die pädophile Tendenz dadurch noch verstärkt wird.» Unklar sei derzeit, welche Theorie zutrifft.
Diskutiert wird auch die Frage von Vergewaltigungen. Schon das limitlose Angebot des Sexpuppenbordells wirft sie auf. Bendel schreibt in einem Beitrag für das Buch «3TH1CS – Die Ethik in der digitalen Zeit», zu klären sei, ob Sexroboter einen Akt verweigern können sollen. Der Hersteller des Sexroboters Roxxxy, True Companion, sah sich gar genötigt, in einem offenen Brief zu betonen: «Vergewaltigung ist einfach keine Interaktion, die Roxxxy unterstützt – noch ist es etwas, was unsere Kunden wünschen.» Hintergrund ist, dass der Roboter eine programmierte Persönlichkeit namens Frigid Farrah hat, die mitteilt, wenn sie keine Lust hat.
Trotz all der wichtigen Fragen, hilft vermutlich ein entspanntes Verhältnis. «Wenn Sex mit Robotern irgendwann tatsächlich üblich wird, ist es nur noch eine Variante unter mehreren, Sex zu haben», sagt Clement. Ein Roboter vermittle aber nicht das Gefühl eines Gegenübers, der auf einen Menschen eingehe und ihn einzigartig finde. Und er tauge auch nicht als stressfreier Lebenspartner. «Reibungslosigkeit ist nur als Sehnsucht interessant. Wäre eine Beziehung völlig reibungslos, würde sie schnell langweilig.»
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(dpa)