Ein Blick in die Speedrun-Community
Berlin – Super Mario springt über die letzte Schildkröte, der Level ist geschafft. Knapp 100 Männer und Frauen brechen schlagartig in Jubel140923 aus. Vorne reckt der Spieler stolz den Controller in die Luft.
Szenen wie diese ereignen sich auf dem «Games Done Quick»-Festival fast im Minutentakt. Zweimal im Jahr findet es in der US-Kleinstadt Herndon im Bundesstaat Virginia statt. Dabei dreht sich alles um Geschwindigkeit: Menschen aus der ganzen Welt spielen vor laufender Kamera und Live-Publikum ihre Lieblingstitel so schnell wie möglich durch. Speedrunner nennen sie sich.
Das schnelle Durchspielen wird in dieser Community als Liebeserklärung an ein Videospiel betrachtet. Denn nur, wer sich intensiv mit Mechaniken, Leveln und Hindernissen auseinandersetzt, kann bei den Schnellsten der Schnellsten mitmischen. Der Ego-Shooter «Doom» (1993) war wohl das erste Videospiel, das von einer eigenen Speedrun-Community um die Wette gespielt wurde.
Henning ist Teil dieser Community. Unter dem Nickname «DeppJay» betreibt er die Webseite
GermanSpeedRuns. Seine Faszination begann 2012, als er einen Speedrun seines früheren Lieblingsspiels «Zelda: Ocarina of Time» sah. «Obwohl ich das Spiel in- und auswendig kannte, sah ich unfassbar interessante und neue Tricks, Glitches und Bugs, welche mir als Kind niemals aufgefallen sind.»
Mit Glitches und Bugs meint Henning technische Fehler im Programmcode, die eigentlich das Spielerlebnis stören. Für Speedrunner sind sie aber die Abkürzung, um entscheidende Millisekunden zum Sieg zu sparen. Durch die Mauer durchzulaufen, ist eben schneller als über sie zu klettern.
Weil allerdings nicht alle diese technischen Fehler ausnutzen und stattdessen ein Spiel so durchspielen wollen, wie es vom Entwickler gedacht war, haben sich unterschiedliche Speedrun-Disziplinen ausgeprägt. Neben Glitch-Speedruns und normalen Schnelldurchläufen gibt es etwa auch die sogenannten Blindfolded Challenges. Hier wird ein Spiel mit verbundenen Augen durchgespielt.
Traditionell für reichlich Diskussionen sorgen die Fans des sogenannten «Tool Assisted Speedruns». Sie speichern mit Hilfe eines externen Programms nach jeder Bewegung ihrer Spielfigur ab. So haben sie einen Ladepunkte zum Neustarten, wenn sie einen Fehler gemacht haben. Ihre Durchläufe sind also Aneinanderreihungen vieler kleiner Schritte und kein zusammenhängender Lauf.
Auch wenn viele klassischen Speedrun-Fans nicht viel von dieser Disziplin halten, eint die Community eine Gemeinsamkeit: die Leidenschaft am Videospiel und so schnell und fehlerfrei wie nur möglich durch virtuelle Welten zu brausen. Einige wenige Speedrunner tun das so gewissenhaft, dass sie zu Rekordhaltern werden.
Heinrich Wolf war einer davon: Unter dem Namen «Heinki» war er vom Frühjahr 2013 bis ins Jahr 2015 hinein weltschnellster Spieler von «Deus Ex: Human Revolution» – ein Schleichspiel, das Feingefühl und Geschicklichkeit erfordert. Heute hat er den Ehrgeiz aufgegeben, sich auf nur einen Rekord zu konzentrieren. Das Speedrun-Training absolviert er aber weiterhin jeden Tag.
Seine Livestream-Zuschauer können ihm dabei zusehen, feuern ihn an oder fachsimpeln über die Strategie für die perfekte Bestzeit. Trotz des Leistungsdrucks herrscht meist eine gelassene Stimmung, denn alle Zuschauer sind hier aus dem gleichen Grund versammelt: Sie sind fasziniert von Videospielen und den Wegen, die Speedrunner suchen, um ihre Bestzeit noch um ein paar Millisekunden zu verbessern.
Fotocredits: Christin Klose
(dpa/tmn)