Microsoft setzt auf Bezahlmodell und Datenschutz
Seattle – «Privatsphäre ist ein Menschenrecht», sagt Microsoft-Chef Satya Nadella. Und: «Wir brauchen eine künstliche Intelligenz mit Ehtik.»
Wenige Stunden später demonstriert Google-Chef Sundar Pichai eine sprechende Software, die Mitarbeiter eines Restaurants und eines Friseursalons für einen Menschen halten – und das wirft sofort ethische Fragen auf.
Es ist die Saison der Entwicklerkonferenzen, auf denen die Tech-Konzerne Neuheiten vorstellen, aber oft auch strategische Botschaften vermitteln wollen. Und die Differenzen beim Thema Datenschutz sind auffällig. Als Facebook dieses Jahr wieder mit seiner Konferenz F8 den Anfang machte, versprach Gründer und Chef Mark Zuckerberg abermals mehr Verantwortung nach dem jüngsten Datenskandal – und kündigte dann einen Service zur Partnersuche an, der noch ein neues Datenfass aufmachen wird. Bei den Ankündigungen der Google I/O spielte Datenschutz nur eine Nebenrolle abseits der großen Bühne.
Nadella hingegen begrüßt ausdrücklich die europäische Datenschutzrichtlinie, die ab Ende Mai greifen wird. Auch Apple sieht sich hier auf einer Linie mit den Europäern und Firmenchef Tim Cook bezeichnete Datenschutz ebenfalls als Menschenrecht.
Nadella positionierte auf der hauseigenen
Messe Build in Seattle sein Unternehmen in einer neuen Rolle: Er will Microsoft zum moralischen Anführer der digitalen Industrie im 21. Jahrhundert machen. Man müsse zunächst einmal die Rahmenbedingungen setzen, fordert der Microsoft-Chef, bevor Algorithmen und künstliche Intelligenz vielleicht sogar über Leben und Tod entscheiden dürfen.
Der Microsoft-Chef spielt nicht nur die physische Distanz zwischen Seattle und dem Silicon Valley aus, sondern auch einen grundsätzlichen Unterschied. Google und Facebook bestreiten ihr Geschäft mit Online-Werbung und brauchen Nutzerdaten. Microsoft setzt dagegen auf die modernisierte Version seines traditionellen Bezahlmodells. Wurden früher DVDs mit Softwarelizenzen verkauft, sind es jetzt immer mehr Abonnements im Internet, für Dienste und Services wie Office 365 oder die Cloud-Plattform Azure. Auch Apple verdient sein Geld mit dem Verkauf von Geräten und betont, man sei nicht auf Datensammeln angewiesen.
«Die Welt wird zum Computer», formuliert Nadella seine Vision. Der Weltcomputer werde Einzug in den Alltag von Jedermann halten, auf der Arbeit, zu Hause, in der Schule. Treiber sind die Internet-Cloud – die überall verfügbare Computerpower im Internet, das Internet der Dinge, und künstliche Intelligenz.
Microsoft wettet dabei technologisch nur noch auf zwei große Plattformen. Zum einen die Cloud, in der heute Amazon mit seinem AWS herrscht, in der aber Microsofts Azure mit Wachstumsraten von über 90 Prozent im Quartal bereits den zweiten Platz vor Google hält und aufholt. Zum anderen auf Microsoft 365: Das ist ein Paket aus Windows 10, der Bürosoftware Office 365 und den wichtigsten Diensten zur Cyber-Sicherheit und zur Mobilität, also der Einbindung von Mobilgeräten. Quasi schlüsselfertig für kleine und große Unternehmen vorinstalliert. Beide Plattformen dienen als Basis, um die «intelligente Cloud» zu bedienen.
Beispiele sind heute schon Drohnen, die über komplexe Rohrleitungssysteme in Industrieanlagen fliegen, mögliche Schadstellen identifizieren und Reparaturanweisungen für die Teams am Boden ausfertigen und per E-Mail senden. Der weltgrößte Drohnenhersteller DJI aus China hat eine Kooperation mit Microsoft geschlossen und wird Technologie der Cloud-Plattform Azure in die Hardware integrieren und Entwickler-Software für Windows 10 bereitstellen.
Ein intelligenter Konferenzraum erkennt alle Teilnehmer einer Konferenz an ihrer Stimme oder ihrem Bild, führt selbsttätig Protokoll und bucht Folgetermine, weil er die Kalender aller Teilnehmer kennt. «Adaptive Cards» werden es möglich machen, Rechnungen direkt aus dem E-Mail-Eingang von Outlook heraus zu bezahlen, ohne das Programm verlassen oder andere Zahlungsprogramme aufrufen zu müssen.
Dafür kooperiert Microsoft mit zahlreichen Zahlungsdienstleistern. Die können gerne in quelloffener Open-Source-Software programmieren, also nicht mit Microsoft-Werkzeugen. So etwas wäre vor fünf Jahren noch praktisch undenkbar gewesen. Jetzt hat Microsoft eine Partnerschaft mit Github geschlossen. Das ist die derzeit größte öffentlich zugängliche Sammlung von Open-Source-Programmbibliotheken. Jeder Entwickler darf sich hier bedienen und die Software kostenlos in seine Apps integrieren.
Das größte einzelne Unternehmen mit über 17 000 Zulieferungen zu Github ist – Microsoft. Das Unternehmen, dessen Mitgründer Bill Gates seinerzeit kostenlose Software noch als «unamerikanisch» abgestempelt hatte. So ändern sich die Zeiten. Und es hat sich bislang ausgezahlt für Microsoft.
Fotocredits: Elaine Thompson
(dpa)