Google sieht eine Zukunft mit perfekt sprechenden Computern

By on 6. Juni 2018

Mountain View – Das Gespräch klang wie ein ganz gewöhnlicher Anruf in einem Restaurant. «Hi, ähm, ich möchte einen Tisch für Mittwoch, den 7. reservieren.» Doch: Da rief kein Mensch in dem Lokal an, sondern der Google Assistant, die sprechende Software des Internet-Konzerns.

Es folgte, wie so oft in solchen Fällen, ein Missverständnis. «Für sieben Personen?», fragte die Mitarbeiterin zurück. «Ummm, für vier Personen», korrigierte das Programm.

Die Demonstration zum Auftakt der
Entwicklerkonferenz Google I/O war eine Premiere für die Menschheit: Eine Maschine, die nicht nur makellos eine Unterhaltung führen kann, sondern mit ihrer vom Computer generierten Stimme von einem Menschen nicht zu unterscheiden ist. Die Pausen und «ähms» und «ums» ließen den Assistant sogar noch menschlicher klingen als selbst die erfundenen Computer-Assistenten in Filmen. Denn die Google-Software imitierte perfekt die Art, wie wir sprechen. «Uhum», quittierte der Assistant lässig in einem zweiten Anruf, als die Mitarbeiterin eines Friseursalons um eine Sekunde Geduld bat, während sie ins den Terminkalender schaut. Wenn schon etwas die Software vom Menschen unterschied, dann höchstens die Geduld, mit der sie sich auch durch ein nicht glatt laufendes Gespräch arbeitete.

An dieser Technologie mit dem Namen Google Duplex arbeite Google bereits seit Jahren, sagte Google-Chef Sundar Pichai. Man wolle sie aber «richtig hinbekommen», bevor sie für die Nutzer verfügbar sein werde, schränkte er ein. Einen konkreten Starttermin gab es daher nicht. Aber die Konsequenzen sind klar: Wir werden es in absehbarer Zukunft mit Maschinen zu tun haben, die am Telefon nicht von Menschen zu unterscheiden sind. Damit kündigen sich neue Fragen an. Sollten Computer verpflichtet werden, sich als solche zu erkennen zu geben? Was bedeutet das für Medien wie das Radio? Und wenn irgendwann an beiden Enden der Telefonleitung solche Computer-Assistenten aufeinandertreffen, sollten sie einfach die Sprache ablegen und die Daten non-verbal austauschen?

Pichai betont, am Ende müsse die Gesellschaft zu einem Einverständnis kommen, wann und wie solche Software eingesetzt werden dürfe. Google jedenfalls versuche, mit Bedacht vorzugehen und sehr gezielt passende Einsatzfälle herauszusuchen, die das Leben einfacher machen, ohne für Konflikte zu sorgen.

Bei Google Duplex kommen in einem Service Spracherkennung, Sprachausgabe und maschinelles Lernen zusammen. Es war das aufsehenerregendste Beispiel für den Einsatz künstlicher Intelligenz bei Google, die ansonsten auch automatisch Fotos bearbeitet, Sätze in E-Mails vorschlägt oder durch ein smartes App-Management die Laufzeit von Smartphone-Batterien verlängert.

Google-Chef Pichai ging in seinem Auftritt zugleich nicht auf das Klima des allgemeinen Misstrauens gegenüber Technologie-Riesen ein, das einen Höhepunkt im Facebook-Datenskandal fand. Seine Eröffnungs-Keynote der Google I/O war von einer heutzutage ungewöhnlichen, nahezu fröhlichen Technik-Begeisterung geprägt. Datenschutz war kein prominentes Thema – schließlich laufen die ganzen coolen Funktionen auch nicht ohne den Zugriff auf Nutzerinformationen. Zugleich versicherte Pichai, dass Google bei künstlicher Intelligenz vorsichtig und verantwortungsvoll vorgehen werde.

Einen ungewöhnlichen neuen Ton brachte in die jährliche I/O-Konferenz aber die Debatte um eine Abhängigkeit von Technik wie vor allem Smartphones. Google verschrieb sich dem «digitalen Wohlergehen». Sprich: Nutzer sollen auch mal abschalten – und Google wird ihnen dabei helfen. So wird man Zeitlimits für die tägliche Nutzung einzelner Apps festlegen können. Und das Smartphone auf dem Tisch mit dem Display nach unten zu drehen, kann den «Nicht-Stören»-Modus aktivieren, zum Beispiel wenn man beim Abendessen mit der Familie sitzt und nicht ständig durch ein brummendes Handy gestört werden möchte.

In einer weiteren Reaktion auf jüngste öffentliche Debatten lässt Google seinen Assistenten auch Kindern Manieren beibringen. Bei Eltern geht nämlich die Sorge um, dass ihre Sprösslinge sich einen rüden Umgangston angewöhnen, weil die digitalen Helfer wie Googles Assistant, Amazons Alexa oder Apples Siri sich beliebig herumkommandieren lassen. Die Google-Software wird nun die Kinder loben, wenn sie höflich «bitte» sagen.

Ankündigungen auf einen Blick

ANDROID: Das meistbenutzte Smartphone-Betriebssystem bekommt eine neue Bedienung. Die drei Tasten am unteren Bildschirmrand weichen in der nächsten Version Android P einer Wischgeste, ähnlich wie bei Apples iPhone X. Künstliche Intelligenz soll vorhersehen, welche Apps und Funktionen Nutzer als nächstes aufrufen werden. Und ein cleveres Management der Hardware-Leitung und Display-Helligkeit soll Strom sparen. Neu sind auch Funktionen für das «digitale Wohlbefinden» – damit ist gemeint, dass Menschen es mit der Technik-Nutzung nicht übertreiben sollten. Dafür werden sie auf einen Blick sehen, womit sie ihre Zeit auf dem Smartphone verbringen, die Nutzung einzelner Apps zeitlich begrenzen und einfacher in den «Nicht-Stören»-Modus gehen können.

GOOGLE ASSISTANT: Google demonstrierte zwar, wie die Software Nutzern Anrufe im Restaurant oder Friseursalon komplett abnehmen kann, die «experimentelle» Funktion ist aber noch nicht bereit für den Massenmarkt. Schon jetzt gibt es aber sechs neue Stimmen, in der englischsprachigen Version unter anderem von Sänger John Legend. Zudem soll der Assistant neben der Kommunikation per Sprache mehr Informationen im Display einblenden. Damit Kinder sich durch das Herumkommandieren der Software nicht einen rüden Umgangston angewöhnen, wird der Assistant sie loben, wenn sie höflich zu ihm sind und «bitte» sagen.

GOOGLE MAPS: Die Weghinweise können künftig auf dem Smartphone-Bildschirm direkt in das Livebild der Kamera eingeblendeten werden, um die Navigation zu erleichtern. In einer verspielten Version des Probramms gibt es einen animierten Fuchs, der den Weg zeigt und dem man einfach folgen muss. In den Karten sollen auch bei anderen Nutzern populäre Geschäfte und Restaurants empfohlen werden – Google Angriff auf Empfehlungs-Dienste wie Yelp.

GOOGLE PHOTOS: Die Software kann nun auf Knopfdruck auch falsch belichtete Bilder retten – und auch alte Schwarz-Weiß-Fotos farbig machen. Die Bilderkennungs-Funktion «Lens» kann künftig Text direkt digitalisieren, wenn man die Kamera darauf hält – und genauso auch nach Objekten wie Anziehsachen shoppen lassen.

Fotocredits: Jeff Chiu,Jeff Chiu,Jeff Chiu
(dpa)

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