Der richtige Umgang mit Emojis und Co
Seelze – Am Anfang war das Emoticon. Punkt, Punkt, Komma, Strich – so ähnlich sahen die ersten durch Zeichen vermittelten Gefühlsäußerungen in der digitalen Welt aus. Der Informatiker Scott Fahlman dachte sich in den 1980er Jahren, dass es praktisch wäre, ironisch oder lustig gemeinte Aussagen in Chats mit einem Symbol zu kennzeichnen. Und das 🙂 kam heraus.
Heute ist nichts mehr so simpel wie damals. Längst sind die Emoticons von den Emojis verdrängt worden, kleine Grafiken wie Smileys mit ihren Gesichtsausdrücken, Alltagsobjekte oder Tiere. Die Zahl nimmt unaufhaltsam zu: Allein 117 neue Emojis hat das Unicode-Konsortium im Januar 2020 vorgestellt. Sie sollen im Laufe des Jahres nach und nach auf den Handys und Computern dieser Welt auftauchen.
Neu sind Herz, Lunge und Oliven
Der neue Schwung enthält etwa
Emojis des ausgestorbenen Riesenvogels Dodo, von Organen wie Herz und Lunge, Oliven, Fondue-Besteck, aber auch einen Militärhelm. Ob man davon jemals etwas beim Chatten braucht, sei dahingestellt. Wer Emojis verwendet, sollte aber hin und wieder darüber nachdenken, ob er noch das richtige Maß hat.
Denn für einen selber mag es lustig sein, virtuell Bildchen zu streuen. In einer Umfrage im Auftrag des IT-Branchenverbandes Bitkom gaben aber immerhin fünf Prozent an, von Emojis genervt zu sein.
Die Linguistin Christina Margrit Siever hat in einer Studie an der Uni Zürich die Kommunikation mit Emojis in Whatsapp-Chats untersucht. «Manche Leute sind genervt, wenn zu viele Emojis verwendet werden», sagt sie. Einige Nutzer gaben an, die Person dann nicht ganz ernst nehmen zu können. Auch reine Emoji-Antworten, etwa Daumen hoch, können negativ ankommen und als Faulheit oder Respektlosigkeit aufgefasst werden.
Missverständnisse sind vorprogrammiert
Ein weiteres Problem: Genau wie bei Wörtern kann es auch bei Bildern zu Missverständnissen kommen. «Emojis sind – wie Bilder generell – von Kulturalität geprägt und deshalb nicht unbedingt global verständlich», erklärt Siever. Da wäre zum Beispiel das «Sleepy Face Emoji» – ein Gesicht mit geschlossenen Augen, geöffnetem Mund und einem blauen Tropfen auf Höhe der Nase.
«Im europäischen Kulturkreis wird das Emoji vermutlich als traurig interpretiert, das blaue Element wird als Träne aufgefasst.» Das Symbol ist aber, wie viele Emojis, aus der Bildsprache japanischer Manga-Animes entlehnt – eine Rotzglocke bedeutet da schlicht, dass eine Person müde ist oder schläft.
Sogar simple Symbole wie der Zwinker-Smiley können mehrdeutig sein: Der eine sieht ihn als Zeichen für einen Witz oder Ironie, die andere als neckisches Zwinkern auf und der nächste gar als Provokation.
Auch die Anzeige kann Probleme bereiten
Obwohl die Emojis im Unicode standardisiert wurden, kann es in der Anzeige zu Problemen kommen. Sei es, weil ein Anbieter für ein Emoji noch keine Glyphe erstellt hat und es auf dem Gerät nur als Viereck mit Fragezeichen angezeigt wird, oder weil die Darstellungen der Emojis recht unterschiedlich gestaltet wurden.
Klassisches Beispiel dafür sind die aufeinandergelegten Hände, die von manchen als betend, von anderen als High-Five interpretiert werden. In manchen Versionen ist dahinter eine Person zu sehen. Dann ist klar, dass hier niemand einklatscht.
«Man kann nicht einfach sagen, Emoji X bedeutet das oder das», sagt auch der Linguist
Michael Beißwenger von der Universität Duisburg-Essen. Die Bedeutung sei «hochgradig kontextabhängig» – es kommt also darauf an, was zuvor geschrieben wurde, mit welchen Wörtern das Symbol kombiniert wurde und in welchem Verhältnis die Chatpartner zueinander stehen.
Strategischer Emoji-Einsatz
Auch Beißwenger hat in einer Studie Whatsapp-Verläufe untersucht und herausgefunden: Emojis werden immer in einer von zwei Funktionen verwendet. Entweder, um Zusatzinformationen oder Interpretationshilfe zu geben, oder zur Beziehungspflege. Ersteres ersetzt etwa die genervte Mimik, wenn ein Schüler seinem Kumpel erzählt, dass er am nächsten Tag Matheklausur hat. Wenn man ein Herz oder einen Kuss-Emoji sendet, zeigt man damit einfach, dass man den anderen mag, ähnlich wie bei einem freundlichen Lächeln oder einer Umarmung.
Insofern könne man Emojis auch sehr strategisch einsetzen, sagt Beißwenger. Wer unangenehme Nachrichten überbringt oder Kritik übt, es aber trotzdem schafft, einen Smiley oder einen Daumen hoch einzubauen, sorgt beim anderen erst einmal für eine positive Grundstimmung. Der Rest der Nachricht kommt dann vielleicht nicht ganz so harsch rüber.
Info-Kasten: Beruflicher Kontext verlangt emojifreie Klarheit
Besonders heikel wird es, wenn man Emojis in beruflichen Beziehungen sendet. «Emojis haben in geschäftlichen Mails nichts zu suchen», sagt Knigge-Coach Michael Mayer. Die Gefahr von Missverständnissen sei einfach zu hoch. «Über allem steht die Klarheit», betont er. Auch im privaten Bereich sei Überschaubarkeit und Angemessenheit wichtig. Am besten fährt man, wenn man sich sich einfach nach und nach den Gewohnheiten des Chatpartners anpasst.
Fotocredits: Andrea Warnecke,Matthias Balk,Christian Kuhlmann,Beat Baschung
(dpa/tmn)