Die Rückkehr des Plattenspielers mit digitalen Elementen
Berlin – Die LP rotiert, der Tonarm schwenkt über den Teller, senkt sich aufs schwarze Vinyl. Dann beginnt das Musikerlebnis mit einem sanften Knistern. Diesen Moment scheinen viele vermisst zu haben – allen Annehmlichkeiten der digitalen Musik von CD bis Streaming zum Trotz.
Denn seit einigen Jahren erlebt die Schallplatte ein Comeback. Mehr als 150.000 Plattenspieler wurden laut Branchenverband gfu 2018 wieder verkauft. Und der Bundesverband Musikindustrie zählte im gleichen Jahr drei Millionen verkaufte Schallplatten.
Entschleunigter Musikgenuss
Beim Musikstreaming ist die Auswahl zwar nahezu unendlich. Auf einer Langspielplatte (LP) sind mal acht, mal zehn Stücke gepresst – selten mehr. Was aber macht dann den Reiz aus? Der gfu geht davon aus, dass der Hauptfaktor der entschleunigte Musikgenuss ist, der schon mit der Vorfreude beim Auspacken des Vinyls aus der Hülle beginnt.
Bei den Geräten dürfte sich mancher Hersteller aus anderen Branchen die Augen reiben: Plattenspieler für 1000 Euro und mehr verkaufen sich gut – in einer Zeit, in der das Smartphone für die große Mehrzahl der Nutzer längst die Stereoanlage ersetzt hat. «Digital ist unsexy, nicht anfassbar», meint Holger Biermann vom Hi-Fi-Magazin «Lowbeats.de». «Die Leute nehmen sich wieder mehr Zeit, Musik zu hören und dabei das Plattencover oder die Songtexte anzusehen».
Große Auswahl an Plattenspielern
Wer sich jetzt einen neuen Plattenspieler zulegen möchte, hat eine große Auswahl. Günstige Modelle gibt es schon ab 100 Euro, teure können mehr kosten als ein Kleinwagen. Viele Plattenspieler heutzutage sind manuell betrieben. Das heißt, dass der Tonarm von Hand auf die Platte gelegt wird.
Komfortabler ist dagegen ein halbautomatischer oder automatischer Plattenspieler, bei dem der Tonarm automatisch zurückfährt oder sich auf bloßen Knopfdruck hin über den Plattenteller bewegt. Darüber hinaus gibt es zahllose Entscheidungen, die Kaufinteressenten treffen müssen: Soll der Plattenteller direkt über ein Zahnrad oder indirekt über einen Riemen angetrieben werden? Wie soll der Diamant geschliffen sein, der am Ende des Nadelträgers angebracht ist? Die gute Nachricht: Für die meisten ist das unwichtig.
Denn wer einfach seine alten LPs hören oder auch mal die eine oder andere neue Platte auflegen will, sollte es nicht zu kompliziert machen, rät Holger Biermann. «Schallplattentechnik ist nicht kompliziert. Für 300 bis 500 Euro bekommt man einen komplett ausgestatteten Plattenspieler, der für den Einstieg völlig ausreichend ist.»
Sinnvolles Extra
Ist die bestehende Anlage bereits digital, sollte der Plattenspieler einen Analog-Digital-Wandler (AD-Wandler) an Bord haben. Sinnvolles Extra: Selbst günstige Modelle hätten inzwischen häufig einen USB-Anschluss zur Verbindung mit einem Computer, wenn man die Musikschätze digitalisieren oder über diesen Weg ausspielen möchte.
Mit dem Plattenspieler erlebt möglicherweise auch die Stereoanlage, der Verstärker oder der AV-Receiver ein Comeback, die bei vielen noch im Haus vorhanden sind. Um den Plattenspieler anschließen zu können, müssen Verstärker oder Receiver einen Phono-Eingang bieten. Andernfalls benötigt man einen Phono-Vorverstärker, erklärt Audio-Experte Biermann. Bei einigen Plattenspieler sei so ein Vorverstärker schon eingebaut.
Brücke zu modernen Bluetooth-Lautsprechern
Noch praktischer, einigen aber vielleicht schon wieder eine Spur zu digital: Manche Plattenspieler haben sogar Bluetooth eingebaut und können so ohne Umwege die Brücke zu modernen Bluetooth-Lautsprechern schlagen. Aber einen analogen Plattenspieler mit einem digitalen Lautsprecher per Bluetooth verbinden – das findet Hi-Fi-Experte Biermann «schräg». Dabei gehe zu viel von der Faszination fürs Analoge verloren. Ein ganz wichtiges analoges Zubehörteil für Plattenspieler sei aber die Plattenbürste: Sie befreit LPs von Staub, der sich andernfalls an der Nadel zu dicken Flusen sammelt.
Ob es so schnell eine vergleichbare Wiedergeburt wie die des Plattenspielers geben wird, ist zweifelhaft. Die Musikkassette jedenfalls gehört bislang nicht zu den Profiteuren der Retrowelle, sondern verliert von Jahr zu Jahr deutlich. Und ein Ende des Sinkflugs bei den Verkäufen ist nicht absehbar.
Fotocredits: Rega,Dual,Thorens,Audio Technica,Pro-Ject,Denon
(dpa/tmn)