Im Bewertungs-Dschungel hilft nur gesundes Misstrauen
München – Die Lage traumhaft, das Essen fantastisch und die Zimmer vorbildlich sauber – wer möchte in so einem Hotel nicht Urlaub machen?
Umso schlimmer das Erwachen, wenn sich die verheißungsvolle Buchung als Fehlgriff erweist, weil auf den Hochglanzbildern im Internet alles viel schöner aussieht. Hier könnten Online-Bewertungen helfen, theoretisch. Denn woher weiß man, dass die nicht gefälscht wurden? Das sei für normale Kunden kaum zu erkennen, glaubt die Juristin Tatjana Halm von der Verbraucherzentrale Bayern. Wie viel wirklich gefälscht wird, lasse sich nicht sagen.
Problematisch ist nach Ansicht Halms, dass die Regeln für Bewertungen und die Sicherheitsvorkehrungen so vielfältig sind, wie die Portale. Die einen suchen auf mehreren Wegen nach Fälschungen, andere seien da zurückhaltend. Verbraucherschützer fänden deshalb feste Regeln gut: Wer darf bewerten? Nach welchen Kriterien muss ich mich richten? Und wie sorgen Online-Portale dafür, dass Fake-Bewertungen gar nicht erst öffentlich werden?
Große Anbieter
Große Anbieter sehen sich bei der Sicherheit als Vorreiter. Bei Jameda (München) sucht ein Algorithmus automatisch nach verdächtigen Inhalten, wenn Patienten Kommentare zu Ärzten abgeben. Außerdem gebe es 15 Leute, die zusätzlich prüften, erklärt Geschäftsführer Florian Weiß. Ähnlich sieht es bei Portalen wie der Seite Kununu aus Österreich aus, auf der Arbeitgeber bewertet werden können.
Die Urlaubsseite Holidaycheck aus München sortiert im Schnitt 10 bis 15 Prozent der Bewertungen aus, etwa weil Nutzer eine falsche E-Mail-Adresse angeben oder weil Inhalte zum Beispiel beleidigend oder rassistisch sind. Auch Manipulationsversuche seien darunter, im unteren einstelligen Prozentbereich, erklärt Georg Ziegler, der bei Holidaycheck den Bereich leitet, der unter anderem für Bewertungen und Hoteldaten zuständig ist.
Doch auch das System des zum Medienkonzern Burda gehörenden Urlaubsportals war angreifbar. Erst durch die Recherche eines Journalisten sei man auf einen Fall von Fälschungen aufmerksam geworden, gab Ziegler zu. Holidaycheck verklagte daraufhin die Firma Fivestar Marketing aus dem zentralamerikanischen Kleinstaat Belize. Sie soll Top-Bewertungen an Gastwirte verkauft haben, so der Vorwurf. Am 16. August soll das Urteil in dem Zivilprozess vor dem Landgericht München fallen.
Fälscher arbeiten professionell
Tricks, die für Laien erst recht nicht zu erkennen sind, glaubt Halm. Fälscher arbeiteten inzwischen professionell und agierten nicht mehr aus dem Hinterzimmer. Und sie lernen dazu: «Wenn wir davor warnen, wie gefälschte Bewertungen erkennbar sind, wird darauf natürlich auch reagiert und diese Fehler werden dann künftig ausgemerzt», erklärt die Verbraucherschützerin. Auch bei der Technik sei man mit den Fälschern in einem Wettbewerb.
Trotzdem ist es vielen Internet-Nutzern extrem wichtig, was andere sagen. Nach Angaben der Verbraucherzentrale Bayern haben zwar drei Viertel der Kunden das Gefühl, dass sie Bewertungen nicht vertrauen können. Gewünscht sind sie trotzdem: Nach dem Preis seien Kommentare anderer Käufer die zweitwichtigste Orientierungshilfe.
Kein Wunder, dass viele Verkäufer findig sind, wenn es darum geht, möglichst gut dazustehen und mitunter Anreize für gute Bewertungen geben. Verbraucherschützer berichten von kostenlosen Testprodukten oder von der Aufnahme in Produkttester-Clubs. «Solche Tester können sich durch die Aufnahme geschmeichelt fühlen», schreibt die Verbraucherzentrale Bayern. «Außerdem bangen sie bei zu vielen schlechten Bewertungen vielleicht um ihren Status beim Händler.» Das müsse eigentlich gekennzeichnet werden, «wird es aber nicht immer».
Außerdem sind die Anreize oft subtiler, etwa wenn Hotels den Gästen ein gratis Frühstück versprechen, wenn sie eine Bewertung abgeben. «Man fühlt sich einfach genötigt, dann da eine Art Dankeschön, ein Entgegenkommen zu zeigen», sagt die Wirtschaftspsychologin Sarah Diefenbach von der Ludwig-Maximilians-Universität München. Wer sich im Dschungel aus Sternen, Erfahrungsberichten und Bewertungen zurecht finden will, dem bleibt nach Ansicht von Verbraucherschützerin Halm deshalb nur eines: «Ein gesundes Misstrauen bewahren».
Fotocredits: Wolfram Steinberg
(dpa)