So wichtig ist bei Videospielen der Sound

By on 12. März 2019

Giebelstadt – Die Musik wird düster und bedrohlich. Der Gamer merkt sofort: Aufpassen, auf diesem Weg wird es gefährlich. Oder ein Schaf fliegt durch die Luft – begleitet von einem lauten «Määähhhh». Durch das Geräusch wirkt die Szene nicht wie Tierquälerei – sondern man muss unwillkürlich lachen.

Die Musik habe erzählerische Bedeutung, sagt der Videosound-Komponist Christophe Kalkau. «Man muss den Ton nur mal kurz ausschalten, um zu merken, wie wichtig er ist.» Es sei der Sound, der Emotionen wecke. Auch hätten manche Spielcharaktere eine Erkennungsmelodie, die immer dann erklingt, wenn der Charakter auftaucht. Bei der Entwicklung von Videospielen ist der Komponist daher von Anfang an eingebunden.

Sound folgt Handlung des Spielers

Kalkau ist für Music & Sound Design (Musik und Tongestaltung) beim Videospielunternehmen
HandyGames in Giebelstadt (Landkreis Würzburg) angestellt. Auf einem ehemaligen Kasernengelände entwickelt ein Team aus 60 Leuten Spiele fürs Handy, für Konsolen und für Computer sowie auch Virtual Reality-Spiele.

«Videospielmusik ähnelt der Filmmusik, geht aber viel weiter», sagt Kalkau, der Klavier, Jazz und Filmmusik studiert hat. Bei einem Spiel sei die Musik nie gleich. Denn sie hänge davon ab, wie der Spieler handelt. Das Lied verläuft nicht linear nach einem stets gleichen Schema. Es muss zwischen Takten hin und her springen können.

Kalkau muss also so komponieren, dass die Anschlüsse immer stimmen. Keine einfache Aufgabe. «Der Spieler handelt schließlich nicht nach dem Timing und dem Rhythmus der Musik», so Kalkau. Allzu abrupte Übergänge löst er mit dominanten Tönen, welche die Aufmerksamkeit so stark ziehen, dass der Umbruch weniger auffällt. Noch komplizierter wird es bei sogenannten Virtual-Reality-Spielen – hier muss der Sound den realen Bewegungen des Spielers folgen. Etwa indem sich die Lautstärke ändert, wenn der Spieler den Kopf dreht – hin zu einer fiktiven Geräuschquelle.

Digitale Spiele sind längst kein Nischenprodukt mehr. Durch Handys kann jeder überall in Spielewelten eintauchen. Laut Verband der deutschen Games-Branche spielt jeder dritte Deutsche regelmäßig, Frauen genauso wie Männer. Das Durchschnittsalter liegt bei 36 Jahren. Die Über-50-Jährigen sind mit acht Millionen regelmäßigen Spielern stark vertreten. Der Branchenumsatz liegt bei 3,3 Milliarden Euro – dem Verband zufolge mehr als in der Musik- oder Kinoindustrie. In Europa sei Deutschland der größte Markt für Computer- und Videospiele, weltweit rangiere er auf Platz fünf.

Musikgenre muss zur Geschichte des Spiels passen

Die Spiele des unterfränkischen Unternehmens spielen Gamer in Europa wie in den USA und Asien. Sprache, Werbetrailer und Verpackungen passt das Unternehmen regional an. Aber die Musik ist überall gleich.

Die erzählten Geschichten sind vielfältig: Dramen, Komödien, Abenteur. Es gibt Strategiespiele und Rollenspiele, Action-Spiele und einfach «Casual Spiele». Manche Spiele entspannen, andere regen zum Lernen an, wieder andere sollen unterhalten.

Persönlichen Vorlieben darf Kalkau dabei keinen Raum geben: Mal komponiert er ein Familienspiel über Schäfchenwolken (Popmusik), mal eine Geschichte über Widerstand im Dritten Reich (dezente Streicher-Caféhaus-Musik), mal ein Schachspiel (nur Geräusche). Dann ein im Mittelalter verortetes Strategiespiel (Folk mit Harfen und Lauten) und ein Spiel mit Drachensteigen (Reggae). Salsa, Klassik, Drum’n’Bass – alles kam schon vor. Nur kein Schlager. «Dabei höre ich privat am liebsten Progressive Rock und Jazz», sagt der 38-Jährige.

Für die Kompositionen lässt sich Kalkau von anderen Musikern und Spielen inspirieren. Aber nicht zu stark, wie er sagt. Genau das sei die Herausforderung: Etwas Eigenes schaffen, das doch so bekannt klingt, dass der Spieler damit direkt eine Emotion verbindet. Dabei profitiert Kalkau von eigener Erfahrung: «Früher habe ich ein bisschen gezockt», sagt er. Heute fehle ihm die Zeit.

Großes Repertoire an Geräuschen

Kalkau spielt alles auf dem Keyboard ein. Und zwar alle Instrumente, egal ob Schlagzeug, Gitarre oder Harfe. Durch digitale Technik lässt sich jedes Instrument täuschend echt nachahmen. Für die richtigen Soundeffekte geht der Musiker auch mal auf einen Bauernhof oder blubbert mit einem Strohhalm in Wasser. Manchmal greift Kalkau auf Geräuschbibliotheken zu. «Wir können hier ja keine Panzer auffahren lassen, um sie aufzunehmen.»

Inzwischen können die Sounds in hoher Qualität wiedergegeben werden. «Früher musste alles auf eine Tonspur passen, heute kann ein einfaches Handy ein ganzes Orchester verarbeiten», sagt Kalkau.

Verändert hat sich ebenfalls, dass der Unterfranke sich mit anderen Gamesound-Designern austauschen kann. Auf die Frage nach einem Berufsverband lacht er nur – die Berufsgruppe sei noch viel zu klein. Aber sie gewinnt an Renommee. Symphonieorchester führen ihre Soundtracks auf. Und Kalkau darf Größen wie Paul McCartney und Hans Zimmer Kollegen nennen. Auch sie haben schon Videospiele komponiert.

Fotocredits: Nicolas Armer
(dpa)

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