Wie spielen wir in Zukunft?

By on 21. August 2019

Köln – Die Konsole ist tot, der Gaming-PC auch. In Zukunft laufen Videospiele in Rechenzentren – Spieler streamen nur noch das Bild. Und gespielt wird auf allem, was einen Bildschirm und einen Internetzugang hat.

Das ist zumindest die Vision von Google Stadia. Der Cloud-Gaming-Dienst startet für Vorbesteller im November – auf der
Spielemesse Gamescom in Köln (20. bis 24. August) ist ein erstes Anspielen möglich.

Welche Cloud-Gaming-Dienst gibt es außerdem?

Stadia ist nicht der einzige Cloud-Gaming-Dienst. Sony hat Playstation Now, Microsoft arbeitet für seine Xbox an der XCloud, Nvidia experimentiert mit Geforce Now, Blade vermietet unter dem Namen Shadow virtuelle Spiele-PCs im Rechenzentrum. Und auch die Telekom und Medion wollen eigene Streamingdienste für Spiele anbieten.

Streaming an sich ist keine neue Idee. Doch die Macht, mit der Google Stadia in den Markt schiebt, zeigt: Hier ist ein Wendepunkt erreicht. Und während die Nachfolger der erfolgreichen, aber betagten Konsolen Playstation 4 und Xbox One noch ein gutes Jahr entfernt sind, winkt Spielern eine Zukunft vielleicht ganz ohne teure Konsolen oder Computer – ein Streamingdienst für Spiele.

Lohnt sich überhaupt noch eine neue Konsole?

Für Spieler ist das eine etwas schwierige Zeit. Sollen sie auf die neue Technik setzen oder auf die neuen Konsolen warten? Über Sonys und Microsofts neue Konsolen Playstation 5 und Project Scarlett, so der Arbeitstitel der nächsten Xbox, ist nicht viel bekannt. Was sicher sein dürfte: Auch die nächste Konsolengeneration wird stark auf Onlinedienste setzen und die Spielekataloge und Streamingangebote ihrer Hersteller integrieren – Stadia wird es etwa auf der Playstation wohl nicht geben.

Und auch die Hardware wird neue Maßstäbe setzen. «Die Hersteller werden die neuen Konsolen zukunftssicherer machen als die alten Modelle», ist sich Analyst Liam Hall vom Marktforscher IDC sicher. Jetzt schon als sicher geltenden Funktionen wie 8K-Auflösung (8192 zu 4320 Pixel), die neue Grafiktechnik Raytracing oder schnelle Chipspeicher werden sich über die Jahre zum neuen Standard entwickeln.

Was ist von Cloud-Gaming-Angeboten zu erwarten?

Stadias Vision ist derweil klar: Spieler sollen immer und überall auf allen Geräten spielen können, erklärt ein Kommunikationsmanager am Gamescom-Stand von Google. Und tatsächlich fühlt sich das Spielerlebnis von Stadia schon sehr fertig an. Grafisch anspruchsvolle Titel wie «Doom Eternal» oder «Mortal Kombat» laufen in einem Rechenzentrum in München und landen flüssig im Browser eines Tablets auf dem Kölner Messegelände.

Microsofts xCloud für die Xbox gibt sich da etwas zurückhaltender. Im Herbst soll ein erster öffentlicher Test des Angebots starten. Als Konsolenhersteller setzt Microsoft auf eine geteilte Strategie: Wer keine Konsole hat, nutzt das reine Cloud-Gaming-Angebot. Dann läuft das jeweilige Spiel auf einer Xbox im Rechenzentrum.

Wer schon eine Konsole hat, kann sie dagegen selbst als Streaming-Zentrale benutzen und von der Konsole aus zum Smartphone oder Tablet streamen. Das soll kostenlos möglich sein. Und trotz Cloud Gaming hat die Konsole nicht ausgedient, erklärt Florian Liewer, Director XBox-Gaming bei Microsoft. «Die Konsole ist nach wie vor wichtig und wird auch lange Zeit noch wichtig bleiben», sagt er.

Die einen setzen also komplett auf Streaming und die Cloud, die anderen sehen Streaming eher als Zusatzangebot. Für Verbraucher scheint Streaming zunächst einmal attraktiv: Wer rein auf die Cloud setzt, spart sich jedenfalls teure Hardwareanschaffungen. Dienste wie Stadia laufen auch auf älteren Computern, Tablets oder sogar Smartphones.

Wie teuer ist das Spiele-Abo?

Statt einer großen Investition gibt es also ein neues Spiele-Abo. Was das letztlich im Monat kosten soll, da sucht die Branche mit wenigen Ausnahmen noch nach Antworten. Google ist da weiter: Wenn Stadia 2020 für alle startet, ist das Basisangebot kostenlos – Nutzer müssen aber die einzelnen Spiele kaufen. Wer mehr Auflösung, Raumklang oder kostenlosen Zugang zu ausgewählten Titeln will, soll 10 Euro im Monat zahlen.

Von einem Netflix für Spiele könne bei Stadia also nicht die Rede sein, sagt Liam Hall. Eher eine Art Game-on-demand-Service, bei dem man eben nicht alles bekommt – sondern nur das, was man bezahlt. Deswegen, und auch wegen vieler anderer offener Fragen, sieht der Analyst das Cloud Gaming noch ganz am Anfang.

Was etwa passiert, wenn Anbieter die Lizenz für einzelne Spiele verlieren? Was, wenn ein Dienst den Betrieb einstellt? Google hat in der Vergangenheit oft kurzen Prozess mit Diensten gemacht, die nicht so liefen wie gewünscht: Die Liste eingestellter Angebote ist lang. Entsprechend groß sind auch die Sorgen vieler Spieler.

Mit welcher Entwicklung rechnen die Experten?

Felix Falk ist Geschäftsführer des Branchenverbands Game und nennt Cloud Gaming einen «hochspannenden Markt». Das Ende von PC und Konsole sieht er aber noch nicht gekommen. «Wir gehen sehr davon aus, dass Cloud Gaming ein Zusatzangebot ist und bestehende Angebote nicht sofort ersetzt», sagt er. Was der Verband allerdings bemerkt: Immer seltener wird auf dem PC gespielt, immer mehr Spieler nutzen Mobilgeräte und Konsolen.

«Die Spieler schauen neugierig auf diesen neuen Markt, warten aber noch auf den richtigen Punkt zum Einsteigen», sagt Analyst Liam Hall. Weit vorne sieht er zunächst nur die sogenannten Early Adopter, die bei allen Trends sofort dabei sein wollen. Auf lange Sicht sei Cloud Gaming aber eher ein Angebot für Durchschnittsspieler: So könne man auch mal neue Toptitel in voller Grafikpracht ausprobieren, ohne erst einen teuren Computer kaufen zu müssen.

Multiplayer-Partien sieht Hall auf Diensten wie Stadia, Geforce Now und Co. aber noch nicht – auch wegen der noch immer lückenhaften Versorgung mit schnellen und zuverlässigen Breitbandanschlüssen. Zwischen 10 und 35 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) muss der hauseigene Internetanschluss
laut Google für Stadia stabil schaffen – das ist längst nicht überall möglich.

Worauf sollten Nutzer bei Cloud-Gaming-Diensten achten?

Was bleibt, ist auch nach dieser Gamescom ein Haufen offener Fragen. Für Kunden muss das nicht unbedingt schlimm sein. Warum nicht einmal die neuen Cloud-Gaming-Dienste ausprobieren? Georg Tryba von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hat da keine Berührungsängste. «Informieren Sie sich gut und nutzen Sie die kostenlosen Testphasen», lautet sein Rat. So kann man gut ausprobieren, mit welchem Anbieter die eigene Hardware und der Internetanschluss gut zusammenarbeiten.

Und bevor man Geld in eine Spielebibliothek bei einem neuen Anbieter investiert: die Geschäftsbedingungen lesen. Google Stadia erlaubt etwa das Mitnehmen von Metadaten und Spielständen zu anderen Anbietern. So bliebe bei einer Trennung vom Dienstleister immerhin der Spielfortschritt erhalten. Wie das technisch funktionieren soll, ist bisher allerdings unklar.

Unklar ist auch, ob die Zahl neuer Anbieter zu einer neuen Flut an Exklusiv-Deals führt – so wie Netflix, Amazon und Co. alle Serien haben, die es nur dort gibt. Braucht es in Zukunft also gleich mehrere Abos, um alle neuen Hits spielen zu können? Felix Falk glaubt nicht daran: «Die Entwickler haben ein Interesse daran, ihre Spiele für möglichst viele Spieler zugänglich zu machen.» Vielleicht können Spieler in Zukunft also wirklich spielen, was sie wollen – wie sie es wollen.

Fotocredits: Andrea Warnecke,Andrea Warnecke,Andrea Warnecke,Tom Nebe,Andrea Warnecke
(dpa/tmn)

(dpa)

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